Mittwoch, 9. Oktober 2019

Predigt zum Thema Engel amPröttelmarkt-Tag "Der Berg ruft"


Ich hab da mal ne Frage:
glauben Sie, glaubt ihr an Engel? Glauben Sie, dass ein Engel kommt und Ihrem Leben eine neue Perspektive  geben kann? 

Sie sind klein und pummelig, wie wir eben im Anspiel gesehen haben, oder schlank mit langem blonden Haar und Zauberstab, sie hängen in Autos oder am Schlüsselbund: Engel haben Hochkonjunktur.

Der Michaelistag den wir heute auch haben, der Gedenktag des Erzengels Michael und aller Engel, wird in der evangelischen Kirche selten begangen. Dennoch spielen auch hier die Himmelswesen eine wichtige Rolle. Aber niedlich sind die biblischen Engel keineswegs. Als machtvolle Boten, die dem Bösen widerstehen, als Gottes "Heerscharen" treten sie auf: Michael, der mit dem Teufel kämpft, der Engel, der aus dem Gefängnis führt, und der Gottesgesandte, der unsichtbar, aber gewaltig, vom falschen Weg abbringt. Auch von Schutzengeln weiß die Bibel zu berichten. Eines jedoch wird ganz deutlich. Die Engel haben keine eigene Macht. Sie sind Diener, die durch ihren Auftrag zu Himmelsboten werden.
Im Kinderhort von Friederike in Solingen kam ein 10-jähriges Mädchen auf mich zu und fragte mich: „Glauben Sie wirklich, dass mein Engel mich nicht verlässt?“ Ich antwortete: „Ja, das glaube ich.“ „Ja, aber auch dann, wenn ich böse bin...“, bohrte es weiter. „Auch wenn du böse bist“, gab ich zur Antwort. „Auch wenn ich immer wieder böse bin?“ „Ja, auch wenn du immer wieder böse bist.“ Da fragte es ganz ernst: „Woher wissen Sie das?“ Ich sagte: „Das steht so in der Bibel.“ Dann hüpfte das Mädchen zu den anderen nach draußen zum spielen. Es war ihm ganz ernst um diese Fragen. Die Begegnung mit diesem Mädchen beschäftigte mich noch lange auf der Heimweg. Warum war es für dieses Mädchen so wichtig, dass sein Engel es nicht verlässt? Vermutlich hat es daheim oft andere Botschaften gehört: „Du bist unmöglich. Mit dir kann es keiner aushalten. Du bist eine Zumutung.“ Da war es für das Mädchen wichtig zu hören, dass sein Engel es aushält, dass sein Engel sich nicht von ihm abwendet, sondern Geduld mit ihm hat.

Jeder Mensch hat einen Engel.

Und es gibt von Engelbert Humperdinck 1854 – 1921 das wunderschöne Abendlied:
Abends, wenn ich schlafen geh,
Vierzehn Engel um mich stehn:
Zwei zu meinen Häupten,
Zwei zu meinen Füßen,
Zwei zu meiner Rechten,
Zwei zu meiner Linken,
Zweie, die mich decken,
Zweie, die mich wecken,
Zweie, die mich weisen,
Zu Himmels Paradeisen. 

Oder in dem Kinderlied: Guten Abend, gut' Nacht, kommen die Engel vor:
Guten Abend, gut' Nacht von Englein bewacht,
die zeigen im Traum….

Manchmal brauchen wir die Engel, damit wir aus dem Gefängnissen unserer Seele freikommen, damit wir wieder den Weg ins Freie, ins Leben, in die Liebe Gottes zurückfinden. Dazu muss uns der Engel gleichsam aufwecken, er muss uns unterbrechen und uns eine neue Sichtweise eröffne, was Gott jetzt gerade in unserem Leben tun und bewirken will.
Dietrich Bonhoeffer ist bekanntlich ja nicht durch einen Engel aus dem Gefängnis freigekommen, aber er hat von guten Mächten wunderbar geborgen eine innere Freiheit erlangt, in der er schreiben konnte: „Wer ich auch bin, du weißt es, dein bin ich, o Gott!“ Und er hat als letztes Wort vor seinem Tode sagen können: „Das ist das Ende, für mich der Anfang eines neues Lebens!“
Lassen wir doch zu, dass Gott uns durch seine Engel hilft, uns aufrichtet und freisetzt und manchmal sind es auch die Worte eines ganz menschlichen Engels, weil nicht immer – wie bei dem Besuch der 3 Männer bei Abraham und Sara – weiß man, wer sich in dieser Menschengestalt alles verbirgt. Manchmal nimmt Gott ganzbewusst Menschen als Engel in seinen Dienst.

Einer von 10 Deutschen, so wissen es die Meinungs-forschungszentren wie das Institut für Demoskopie in Allensbach zu berichten, hatte schon einmal eine solche persönliche Begegnung mit einem Engel. 66% der Bevölkerung sind ganz allgemein von der Existenz von Engeln überzeugt – das sind ein paar Prozent mehr als gegenwärtig an die Existenz Gottes glauben! Soziologen und Theologen weisen einmütig auf eine „Hochkonjunktur“ der Engel und sogar Tendezen zu einer „Engelreligion“ hin – nicht nur zur Weihnachtszeit, und nicht nur im Westen unseres Landes. Denn auch die Bürger der ehemaligen DDR entdecken zunehmend die „Jahresendflügelfiguren“ (so der sozialistische Sprachgebrauch) für sich und gewähren ihnen Einlass in ihre sonst oft so säkularisierte Lebenswelt.

Es gab eine Zeit, da hielt sich die Theologie, insbesondere die protestantische, für zu aufgeklärt und abgeklärt, um sich ernsthaft mit Engeln zu beschäftigen. Der Lutheraner Paul Althaus spottete: „Wir haben die Engel abgeschossen wie metaphysische Fledermäuse“. Hier hat in den letzten Jahren eine nachdrückliche Rückbesinnung auf den biblischen Textbestand stattgefunden. Und wer das Alte wie das Neue Testament zur Hand nimmt, kommt nicht umhin zu erkennen: Beide erzählen uns zahlreich (an über 300 Stellen!) und in wunderbarer Weise von den Engeln. Es gibt etwa einen Engel, der einen tief enttäuschten und lebensmüden Propheten wie Elijah aufrichtet und ihm zu essen und zu trinken gibt – wie eine Wegzehrung für seinen neuen Lebensabschnitt (1 Kön 19). Unmittelbar darauf wird Elijah Gott begegnen. Oder da ist der Engel, der sich dem Bileam in den Weg stellt. Und der von den Menschen nicht erkannt und verstanden wird, wohl aber von dem Tier, dem einfachen Esel (Num 22-24). Oder die Engel, die den Löwen die Mäuler verschließen, als Daniel hinab in die Löwengrube geworfen wird (Dan 6,23).Auch Jesu Leben ist von Engeln begleitet. Engel und ihre Worte durchweben die Weihnachtsgeschichte. Später stehen dann die Engel dem erwachsen gewordenen Jesus bei, als er in der Wüste dem Bösen gegenübersteht und sich bewähren muss. Am Ende seines Lebens, als er weint und im Garten Gethsemane um sein Leben fleht, erscheint ein Engel und gibt ihm neue Kraft. Und schließlich ist es ein Engel, den die Jünger am Ostermorgen in der Grabhöhle vorfinden – ein Engel, der ihnen hilft, einen neuen Blick zu entwickeln für das, was am Karfreitag geschehen ist. Einen Blick für die frohe Botschaft, die es der Welt zu verkünden galt. Die Bibel ist also eine gute und umfangreiche Quelle für alle, die sich für Engel interessieren und mehr über sie erfahren möchten. Allerdings sind die Engel kein Selbstzweck. Sie sind, wie der Hebräerbrief es formuliert, „dienende Geister“, nämlich Boten oder vielleicht der Paketkurrierdienst Gottes.

Die Aufgabe der Engel ist es, uns ein Paket zuzustellen. In der Bibel sind sie es, die den Menschen klar machen, wie Gottes Kraft heilsam wirken kann. Engel zeigen an, sie machen klar, sie vermitteln zwischen Gott und Mensch, zwischen Himmel und Erde und brauchen wohl eben deshalb in unserer Vorstellung Flügel, um diese Distanzen zu überwinden.
Halten Sie Ausschau nach Ihrem Engel, an den Ausfallstraßen des Lebens, in den Nächten der Entscheidung, am Horizont, irgendwo. Denn dieser Engel, mit oder ohne Flügel, mit welcher Haartracht auch immer – der hat eine Botschaft vom Chef für Sie im Gepäck. Gerade dann, wenn Sie das Gefühl haben, Gott liegt mir irgendwie fern, und seine Kirche erst recht, dann ist er gekommen, um Sie neu in Verbindung mit Gott zu bringen. Letztlich kommt es aber nicht darauf an, ob Sie oder ich an Engel glauben - entscheidend ist, ob wir empfangsbereit sind und ihrer Botschaft Glauben schenken.

Wenn sie also von Gott gestärkt werden wollen, dann setzen sie sich nicht in den Sessel und warten, ob irgendwann auch zu Ihnen ein Engel kommt. Gehen sie einfach auf die zu, die sie als Engel brauchen, undvielleicht entdecken sie dieses Geheimnis auch, dass wer dem anderem zum Engel wird, oftmals selber einem Engel begegnet. Ich könnte noch mehr davon erzählen, wo ich Menschen Engel sein darf und diese mir zu Engeln werden, aber diese Geschichten passieren ja auch in ihrem Leben, wenn sie es denn wagen, sich von Gott in Dienst nehmen zu lassen für andere und dann merken, dass sie dabei selber von ihm beschenkt werden.
Amen

Jetzt zum Schluss wird es aber nochmal so richtig spannend. Denn keiner sollte heute diese Gemeinde verlassen ohne ein Abbild von einem Engel. Deswegen möchte ich mit ihnen einen Engel basteln.
Ich höre schon einige stöhnen: „Nee, kann ich nicht!“ 
Abwarten – denn es ist gar nicht so schwer. Ich erkläre es kurz und wir haben erfahrene Bastlerinnen unter uns, die vielleicht dann auch weiter helfen können.
Vielleicht kann man ja  auch, während wir unseren Engel basteln, in Ruhe die Gedanken ein wenig schweifen lassen.