Sagen Sie mal, Herr Kleopas....
Journalist:
Um die Jünger
besser zu verstehen, möchte ich mit Ihnen das, was damals geschehen ist, in
unsere Zeit holen. – Die wichtigsten Nachrichten werden im Fernsehen als Erstes
gebracht. In den Tageszeitungen stehen sie fett gedruckt auf der Titelseite. Von
daher haben wir heute einen besonderen Gast hier im Gottesdienst. Es ist
Kleopas, einer der beiden Männer die nach Emmaus unterwegs waren. Seien Sie uns
herzlich willkommen Herr Kleopas.
Kleopas: Hallo und einen gesegneten Gottesdienst
Journalist: Sie sind zurzeit ja überall eine gefragte Person und
haben nur wenig Zeit. Deswegen möchte ich Sie auch gleich Fragen: Sie
und Ihr Mitbewohner haben als erste
Menschen der Kirchengeschichte das Heilige Abendmahl gefeiert.
Kleopas: So heilig war das für uns zunächst gar nicht,
wenn ich ehrlich bin. Mein Freund und
ich hatten diesen Mann kennen gelernt auf dem Weg von Jerusalem in das Dorf
Emmaus. Die Geschichte spielte sich so zusagen zwischen zwei Orten, Jerusalem
und Emmaus, und auf dem Weg der dazwischen liegt ab. Wir wollten fort, fort von
dem Ort unserer größten Enttäuschung.
Seltsam, wunderten wir uns, als wir
ins Gespräch kamen, dass der noch nicht von der Kreuzigung Jesu gehört hatte!
Wir waren wirklich völlig verzweifelt und enttäuscht.
Journalist: Das ist verständlich. Immerhin hatten Sie
Ihren Lehrer, Ihren Meister, Ihr Vorbild verloren. Aber mal ganz ehrlich: Sie haben zwei Stunden
lang mit einem Weggefährten über Glaubensfragen gesprochen? – Ich würde ich
mich übers Wetter, die Landschaft, die Menschen, über Politik, Wirtschaft,
Reisen, seinen und meinen Beruf und über Hobbys unterhalten, auch über
Religion, wenn mein Mitwanderer erlaubt. Andere möchten vielleicht über
Fußball, beste Automarke, Krankheiten, schlechte und gute Nachbarn, wo man
billig einkaufen kann und was es neuerdings zu kaufen gibt sprechen. – Liegt es
nicht doch an der Zeit und am Zeitgeist, dass man über die Bedeutung von Jesu
Kreuzigung und Auferstehung nur im Gespräch mit Jesus etwas erfahren kann?
Kleopas: Ach wissen Sie, wenn es nur das verlieren
eines Meisters gewesen wäre. Mit seinem
Tod hatten wir unsere Hoffnung verloren. Bedenken Sie: Wir hatten geglaubt, er
sei der Messias, der unser Volk erlösen würde! All unser Hoffen, all unsere
Zuversicht hatten wir in ihn gesetzt. Und dann das: Dieser Jesus, dieser
vermeintliche Sohn Gottes, war schmachvoll am Kreuz verendet. Wie ein
Hochverräter. Und unser Volk war genauso wenig erlöst wie vorher.
Aber das mit dem Zeitgeist, da ist
was dran. Mir fällt dazu ein Psalm ein, der direkt am Anfang steht:
Wohl dem,…der Lust hat am Gesetz des
Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!
Der ist wie ein Baum, gepflanzt an
den Wasserbächen, der seine Frucht
bringt zu seiner Zeit,
und seine Blätter welken nicht und
was er macht, das gerät wohl.
Betrachte ich mich im Spiegel dieses
Psalms, bekenne ich, dass wir bisher
sicher mehr Zeit und Aufmerksamkeit anderen Dingen und Themen widmeten, als dem, was Gott zu unserem Leben und
Erleben, zu aktuellen Fragen und zum Weltgeschehen zu sagen hat. Ich gebe zu,
unser Leben ist kein „immerwährendes Gebet“. Aber gäben wir Gott mehr Raum in
unserem Leben, -> täten wir mehr und
Besseres für den Frieden und die Liebe unter den Menschen und Völkern. Wir
wollen uns bestimmt nicht dem jeweiligen Zeitgeist unterwerfen. Aber die Frage
die daraus resultiert wäre doch: wie können wir Gott in unser Tun und Lassen
mehr einbeziehen?
Journalist: Der
unbekannte Wanderer, den Sie da auf dem Weg trafen, belehrte Sie eines
Besseren.
Kleopas:
Stimmt. Er erklärte uns, was die Heiligen Schriften und die Propheten gelehrt
hatten: Z.B. Die Geschichte, die wir ja auch vorhin schon gehört haben, aus 1.
Könige 19, die Verse 3-16. Diese Geschichte hat doch viel mit unserer
Geschichte, mit der Begegnung mit Jesus gemeinsam. Die fand ich ziemlich
spannend, wenn ich so im Nachhinein darüber nachdenke. Sie schildert eine
Begegnung mit Gott, die ich so bisher für mein Leben nicht kannte. Und wenn ich
das heutige Leben, das Hier und Jetzt beurteilen mag, so scheint es mir, dass
Gott sich im Alten und im Neuen Testament unmittelbarere und konkreter
mitteilte, als wir das heute erleben, oder?
Journalist: Wie
meinen Sie das? Sie sind doch Jesus
begegnet?
Kleopas: Ja
schon – aber dann war er auch wieder weg. Und manchmal frage ich mich, ob ich
ihn wirklich live erlebt habe. Später bevor Jesus ja zu seinem Vater zurück
gegangen ist, hat er uns ja den Heiligen Geist dagelassen. Und mit Blick auf
ihn hat uns Jesus zugesagt: Ich werde meinen Stellvertreter zu euch senden! Sie
erinnern sich vielleicht?...
Journalist:
…Ja, ja – aber…
Kleopas: …Mit dieser Beobachtung stoßen wir heute an
unserer Grenzen. Wir haben Gott nicht mehr so bei uns, wie wir es gerne hätten,
in Erlebnissen und im Gebet, beim Lesen
der Bibel und in den Herausforderungen des Alltags. Tatsächlich begegnet uns
Gott anders. Er ist der vorübergehenden Gott – ja - der uns auch irgendwie irritiert, nicht
wahr? Selbst Sie kommen ja ins Grübeln
und Stottern.
Journalist:
Eigentlich wollte ich ja auch nur wissen wie es dann mit ihnen beiden
weiterging. Und nun erzählen sie mir etwas über einen vorübergehenden Gott?
Vorrübergehend wie: aus und vorbei?
Oder wie: nur für kurze Zeit?
Um das zu verstehen, stelle ich mal
zwei Sätze in den Raum: meinen Sie eher:
Die Linie 8 fährt nur vorübergehend nicht über die Eisenbahnstraße. Oder:
Das Geschäft bleibt wegen Krankheit vorübergehend geschlossen?
Kleopas: Ich meine fast beides. Also: Der Heilige
Geist ist in uns. Einerseits ist Gottes Geist nicht mal bei uns und dann mal wieder
fern von uns. Anderseits schwankt unsere Empfindung seiner Gegenwart. Das
offenbart beides: Gottes Nähe und seine Distanz. Als wir mit Jesus von
Jerusalem nach Emmaus waren, und er uns so eindrücklich Dinge erklärte, fragte
er uns, ob wir uns die Szene am Berg Horeb vorstellen könnten, vor allem den
Sturm und das Feuer, der berstende Fels und der krachend Blitzschlag. Aber in
allem war Gott nicht! Das ist deutliche Kritik an einer Gottessuche, die auf
das besondere und eindrücklich große Ereignis wartet. Begegnung mit Gott kommt
vielfach unscheinbar daher. Sie geschieht beiläufig und geht wie leises Säuseln
vorüber. So wie auch Jesus ganz leise zu uns kam und wieder ging. Wer nach
Sturmbrausen Ausschau hält, mag gar nicht merken, wie Gott vorübergeht.
Natürlich ist es unser Wunsch, dass
er stets unser spürbarer Begleiter ist. Es war einfach toll, mit Jesus
unterwegs zu sein so hautnah, wenigsten für zwei Stunden haben wir gespürt, wie
grandios das ist. Vielleicht kennt der ein oder andere ja das Gefühl, wenn man z.B.
auf dem KiTa ist, Oasentage mitmacht oder andere intensive Seminare besucht.
Dann könnte man am Schluss heulen, weil man auseinander geht. Das erlebte war
so schön, dass man sich wünscht es ginge ununterbrochen weiter.
Doch schon bald spürten wir erneut
sein Schweigen und fühlten uns allein gelassen. Das ist es, was dem Glauben so
zusetzt: zu wissen, dass Gott da ist, und zu trauern, weil er nicht ständig
sichtbar neben uns hergeht, so wie wir es
zwei Stunden lang erfahren haben.
Und er erklärte uns in dieser Zeit noch so viel mehr: Dass er in der
Zeit des Neuen Testamentes auch ein
vorübergehender Christus war. Vielfach können wir heute lesen, wie er in der
Landschaft rings umher zog, von Judäa nach Samaria. Mal war er hier, mal war er
da. Und darin zeigt sich wozu er
gekommen ist. Von diesem umherziehenden Jesus ging die Kraft Gottes aus. Durch
ihn fand Zachäus zu einem neuen Lebensbeginn, las Jesu an dem Baum vorüber
ging, in dem er saß. Dem Blinden wurden die Augen aufgetan, als er nach dem vorbeiziehenden
Jesus rief. Auch hier wird deutlich:
Jesu ist nur vorübergehend bei uns gewesen. Das Erscheinen Gottes unter uns
Menschen war nicht bleibend. Und auch sein kommen durch den Heiligen Geist
trägt diese Merkmal: Der Geist weht, wo er will. Wir hören sein Rauschen und
wissen doch nicht, woher er kommt und wohin er geht. Steht in Johannes 3, Vers
8.
Eigentlich ist es so wie mit dieser
Kerze. Sie ist warm und wir können unsere Finger daran wärmen, sie strahlt ein
Licht aus. Und gerade in der Dunkelheit leuchtet sie uns und gibt uns
Sicherheit. Wenn ich sie jetzt auspuste, dann gibt sie keine Wärme mehr ab und
wenn es hier jetzt Dunkel wäre, würden wir nichts mehr sehen. Auch die Kerze
nicht mehr. Aber sie ist immer noch da. Sie gibt keine Wärme ab, wir spüren sie
nicht und wir sehen sie nicht mehr und doch steht sie noch hier. So ist das
auch mit Jesus. Wir spüren ihn nicht und wir sehen ihn nicht und doch ist er da.
Wir hatten ein super Gefühl, als er
mit uns unterwegs war und die Hoffnung, die wir schon fast aufgegeben hatten,
keimte wieder in uns auf. Dieser unbekannte Mann war klug und geistvoll.
Journalist: Deswegen
wollten Sie ihn auch zum Essen einladen?
Kleopas: Wohl jeder umgibt sich gerne mit Menschen,
mit denen das Zusammensein angenehm ist. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern auch von guten Gesprächen bei Tisch. Abends, als wir angekommen waren
in Emmaus, wollte der Mann weitergehen. Wir luden ihn ein, bei uns zu bleiben.
Journalist: Von
einer Einladung berichtet die Bibel nichts. Sie hätten ihn »genötigt«, schreibt
der Evangelist Lukas.
Kleopas: Nun ja, ich gebe zu, als er der ersten
Einladung nicht folgte, setzten wir das ganze Repertoire unserer
Überzeugungskraft ein. Wir berichteten ihm von üblen nächtlichen Überfällen,
machten ihm den Mund wässrig, indem wir ihm von den Köstlichkeiten erzählten,
die bei uns in der Vorratskammer lagerten. Es wirkte.
Journalist: Letztendlich
hat er aber dann nur das Brot genommen.
Kleopas: Hinterher ist man immer schlauer. Er nahm es,
dankte, brach's und gab's uns...
Journalist: ...wie beim letzten Abendmahl vier Tage zuvor.
Kleopas: Genau so. In dem Moment erkannten wir ihn.
Und schlugen uns die Hände vor den Kopf vor so viel Blindheit. Jesus
schmunzelte ein bisschen. Nicht aus Schadenfreude, eher war er glücklich
darüber, dass er uns auf diese Weise die Augen geöffnet hatte. Wir saßen noch
eine Weile beisammen, aßen, tranken, erzählten. Und feierten die Hoffnung, die
wir verloren geglaubt hatten: Jesus war doch der Messias, für den wir ihn
gehalten hatten. Er war gestorben und vom Tode auferstanden. Unfassbar - aber
wahr. Kaum, dass wir diese frohe Botschaft verstanden hatten, war Jesus
plötzlich verschwunden.
Journalist: Wie?
Auferstanden, raus gerannt, weggebeamt?
Kleopas: Ich kann es nicht besser beschreiben: Er war
verschwunden. Wir saßen alleine am Tisch, sein Teller stand noch da, sein Stuhl
auch - aber er war weg. Unser Wunsch, dass er bleiben möge widerspricht
geradezu der Art und Weise, wie er uns tatsächlich begegnen will. Auch das habe
ich erst viel später verstanden. Immer wieder neu, aber nie für uns verfügbar.
Christus lässt sich durch niemanden aufhalten. Das müssen wir lernen, wenn wir
zu erfüllter Gottesbegegnung finden
wollen. Aber es steht unserem menschlichen Streben und Wollen entgegen. Wir
wollen behalten, festhalten, an uns binden und besitzen. Niemand wird Christus
in seinem Herzen behalten, der ihn nicht als Vorübergehenden lieben lernt.
Das begriff ich in dem Moment noch
nicht so genau, aber nach einer Schrecksekunde wurde uns klar: Das müssen wir
den Jüngern erzählen, die in Jerusalem noch immer trauerten. Durch die
Dunkelheit wanderten, ja liefen wir z.T. zurück. Wir mussten den anderen
erzählen, dass die Enttäuschungen, die
wir erleben, unterstreichen, dass wir Gott als den vorübergenenden Herrn lieben
sollen. Gott will, dass wir damit einverstanden sind, denn darin zeigt sich das
Vertrauen, das er bei uns sucht. Es ist nur vordergründig eine verunsichernde
Erfahrung, Gott nicht besitzen zu können. Lernen wir sie anzunehmen, liegt doch
gerade darin das Glück und der Frieden in der Nachfolge Jesu!
Journalist: So
spät noch los zu laufen das war ziemlich unvorsichtig. Sie wussten von den
vielen nächtlichen Überfällen in dieser Gegend!
Kleopas: Wer sollte uns noch was tun können? Wir waren
im Bunde mit dem Auferstandenen!
Amen